RA Holtstraeter

Betriebliches Eingliederungs Management

I. Konflikt- und Gesundheitsprävention

1. Konflikten vorbeugen
Konflikte gefährden Produktivität und Betriebsfrieden. Wichtige Projekte im Unternehmen können scheitern am Konflikt der Mitarbeiter untereinander. Eine Studie der KPMG[1] zeigt, dass auch von den kleineren Unternehmen mit bis zu 100 Mitarbeitern immerhin jedes neunte den hierdurch entstehenden Aufwand auf 100.000 bis 500.000 € jährlich beziffert. Sieben Prozent gaben diesen sogar mit mehr als 500.000 Euro an. 

Konflikten vorzubeugen und Eskalationen zu vermeiden spart also viel Geld. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt. Mit § 84 SGB IX verfolgt er das Ziel, bei personen-, verhaltens-, oder betriebsbedingten Problemen möglichst frühzeitig eine Suche nach Problemlösungen zu veranlassen. Besonders bei gesundheitsbedingter Gefährdung des Arbeitsplatzes soll der Arbeitgeber gemeinsam mit den betrieblichen Interessen- und den Schwerbehindertenvertretungen rechtzeitig vor einer Kündigung stabilisierende Maßnahmen prüfen und umsetzen. Nur wenn dies scheitert, kann die Kündigung als letztes Mittel in Betracht gezogen werden. 

2. Konfliktprävention ibs. bei schwerbehinderten Beschäftigten 

Für schwerbehinderte Beschäftigte[2] oder diesen gleichgestellte Menschen[3] ist der Schutz vor Gefährdungen des Arbeitsverhältnisses besonders breit angelegt. Neben der personenbedingten Leistungsstörung werden auch alle verhaltens- oder betriebsbedingten Gefährdungslagen von der Verpflichtung zum frühzeitigen Handeln erfasst. Das Integrationsamt ist nicht zuletzt aus Finanzierungsgründen einzubeziehen. Denkbar ist je nach Art der Störung ein weites Spektrum an Maßnahmen. Das geht von der Ausstattung und Organisation des Arbeitsplatzes über die Mediation bis hin zu allen Möglichkeiten der Rehabilitation und Qualifikation

Auch ohne gesetzliche Verpflichtung beinhaltet aktives Konfliktmanagement eine große Chance für den langfristigen Unternehmenserfolg. Unbestritten ist heute das „Humankapital“ eines Unternehmens – also seine Menschen, die für das Unternehmen arbeiten – das wertvollste Kapital eines Unternehmens. Konflikte aller Art, aber auch Frustration oder Demotivation gefährden dieses Kapital durch Leistungsbegrenzung. Unternehmen, die mittels Frühintervention diese Konfliktkosten geringhalten, haben einen deutlichen Wettbewerbsvorteil. 

Viele der Instrumente und Maßnahmen, die sich zur Leistungsstabilisierung bei behinderten Menschen bewährt haben, eignen sich gleichermaßen zur Begrenzung von Leistungshindernissen bei allen anderen Beschäftigten. Ohnehin ist aus dem Kündigungsrecht ein Anspruch auf Kündigungsprävention für alle Beschäftigte ableitbar. 

3. Gesundheitsprävention zur Überwindung von Arbeitsunfähigkeit 

Eine Rechtspflicht der ArbeitgeberInnen zur Gesundheitsprävention gegenüber allen Beschäftigten – auch im Kleinbetrieb und in der Probe- oder Wartezeit – folgt aus § 84 II SGB IX, falls MitarbeiterInnen innerhalb von 12 Monaten länger als 6 Wochen arbeitsunfähig erkrankt sind. Der Zeitraum kann sich errechnen aus vielen Kurzerkrankungen oder einer längeren Krankheitsphase. 

Sind diese Rahmenbedingungen gegeben, ist dem/der Beschäftigten die Durchführung des sog. Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) im Einzelfall anzubieten. Die Vorschrift konkretisiert die Fürsorgepflicht der ArbeitgeberInnen. Für Beschäftigte ist die Mitwirkung freiwillig.

II. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
 

§ 84 II SGB IX beschreibt Verfahren, Beteiligte und Zwecke des BEM in den zentralen Punkten. Individuelle Verfahrensgestaltung bleibt möglich, um die aufwandsarme und effektive Einpassung in die jeweilige Unternehmensstruktur zu ermöglichen. 

Ziele sind: 

  • Arbeitsunfähigkeit nachhaltig überwinden,
  • Erneuter Arbeitsunfähigkeit nachhaltig vorbeugen,
  • Fehlzeiten verringern und dadurch Kosten reduzieren,
  • Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters dauerhaft sichern,
  • Arbeits- oder berufsbedingte Erkrankungen verhindern,
  • Fürsorge des AG nachhaltig sichern, Betriebs- und Leistungsklima fördern,
  • Arbeitszufriedenheit steigern, individuell und generell,
  • Rechtssicherheit im Kündigungsschutzprozess.

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement umfasst alle Aktivitäten, Maßnahmen und Leistungen, die im Einzelfall zur Wiedereingliederung nach längerer Arbeitsunfähigkeit oder zur Vermeidung erneuter Arbeitsunfähigkeit erforderlich sind. Es stellt eine systematische Vorgehensweise dar, die den Gegebenheiten des Betriebes und den Notwendigkeiten des Einzelfalles angepasst wird. Auf Grund der teilweise komplexen und sehr persönlichen Problemstellung ist Vertraulichkeit oberstes Gebot. 

Maßnahmen könnten z. B. sein: 

  • Veränderung der Arbeitsorganisation,
  • Ergonomische Verbesserung des Arbeitsplatzes,
  • Technische Umrüstung des Arbeitsplatzes,
  • Veränderung der Arbeitszeit,
  • Medizinische Rehabilitation, ambulant oder stationär,
  • Muskuläre Trainingsmaßnahmen: Physiotherapie, Rückenschule,
  • Arbeitsversuch unter vereinbarten Bedingungen,
  • Belastungserprobung,
  • Stufenweise Wiedereingliederung,
  • (Vorübergehende) Arbeitsassistenz,
  • Vermittlung zusätzlicher Beratungs- und Betreuungsangebote,
  • Konfliktmanagement,
  • Psychosoziale Betreuung,
  • Umsetzung innerhalb des Betriebes,
  • Weiterbildung,
  • Qualifizierungsmaßnahme,
  • neuen Arbeitsplatz schaffen, Neuorientierung,
  • Unterstützung und Begleitung eines Arbeitsplatzwechsels.

Der/Die ArbeitgeberIn ist zur Initiative verpflichtet. Er/Sie kann dies in vielfacher Form z. B. durch einen Eingliederungsmanager (EM) oder durch ein Integrationsteam tun. Der/Die MitarbeiterIn darf dies auch beantragen. Zu beteiligen sind der Betriebs- oder Personalrat und ggf. die Schwerbehindertenvertretung. Je nach Sachlage ist das Hinzuziehen weiterer betrieblicher Partner – z. B. Betriebsarzt oder Sicherheitsfachkraft – sinnvoll. Auch Externe wie der Technischer Aufsichtsdienst der Berufsgenossenschaft oder das Integrationsamt können Unterstützung geben. Die verschiedenen Sozialversicherungsträger können dabei wertvolle Berater oder im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch Kostenträger notwendiger Maßnahmen sein. 

Ein BEM-Verfahren läuft üblicherweise in 6 Prozessschritten ab (s. Prozessschema): 


Klicken Sie auf die Grafik, um diese zu vergrößern 

1. Schritt: Gefährdung der Arbeitsfähigkeit erkennen 

  • Betroffene Mitarbeiter ermitteln (6-Wochen-Frist bzw. personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Schwierigkeiten ibs. bei Schwerbehinderten)
    • Regelmäßig Krankenstände auswerten
    • Hinweisen des Mitarbeiters, Vorgesetzten, Vertrauenspersonen oder Betriebsarztes nachgehen, Ergebnisse von Mitarbeitergesprächen
    • Probleme oder Auffälligkeiten in Arbeitsbereichen analysieren (Gefährdungsanalyse)
        – Qualitätsmängel, Rückstände, Nichterfüllung von Aufgaben

Ziel: frühzeitig Gefährdung der Leistungsfähigkeit erkennen  

2. Schritt: Erstkontakt aufnehmen, Eingliederungsmanager (EM) beauftragen 

  • Kontakt zum/r MitarbeiterIn aufnehmen (ggf. durch EM)
  • Über das beabsichtige BEM und seine Ziele aufklären
  • Auf die Freiwilligkeit und die Bedeutung der Mitwirkung hinweisen
  • Grundsätzliche Zustimmung der/s MitarbeiterIn einholen
  • Konkreten Auftrag an EM oder Eingliederungsteam erteilen
  • Betriebsrat und ggf. weitere Beteiligte informieren

Ziel: Zustimmung zur BEM-Teilnahme  

3. Schritt: Erstgespräch mit der/m Beschäftigten 

  • Über den Zweck des Gespräches informieren
  • Möglichkeiten und Grenzen des BEM aufzeigen
  • Datenflussprinzipien und Dokumentation vereinbaren
  • Betriebliche Ursachen für die Arbeitsunfähigkeit klären
  • Ziele, Befürchtungen und erste Lösungsideen besprechen
  • Nächste Schritte vereinbaren

Ziel: Vertrauensbasis herstellen und Analyse der Mitarbeitersituation  

4. Schritt: Eingliederungsgespräch führen, Eingliederungsplan erstellen

  • Qualifikationen, Stärken und Begabungen ermitteln
  • Einschränkungen und Hindernisse der Arbeitsaufnahme konkretisieren
  • Ziele und Vorstellungen des/r MitarbeiterIn klären
  • Beschäftigungsprognose und Bedarfsprognose erstellen
  • Mögliche Maßnahmen zur Eingliederung bewerten und auswählen
  • Gemeinsam das weitere Vorgehen planen
  • Ggf. Finanzierung durch Sozialversicherungsträger klären
  • Eingliederungsplan erstellen

Ziel: Eingliederungsplan vereinbaren

5. Schritt: Maßnahme durchführen, Controlling 

  • Maßnahme(n) beauftragen/organisieren und begleiten
  • Meilensteine und Sollergebnisses überwachen
  • Regelmäßige Rückmeldungen der Beteiligten auswerten
  • Sofortige Reaktion bei Störungen oder Hindernissen
  • Erfolg oder Misserfolg der Maßnahme(n) feststellen
  • Ggf. weiteren Maßnahmebedarf klären

Ziel: Erfolgreiche Eingliederung  

6. Schritt: Abschlussgespräch, Ergebnisbewertung, Erfolgssicherung 

  • Ergebnis aus Sicht der Beteiligten feststellen
  • Ergebnis am Ziel des BEM bewerten
  • Maßnahmen zur nachhaltigen Erfolgssicherung vereinbaren
  • BEM einvernehmlich beenden

Ziel: Verfahrensabschluss und nachhaltige Erfolgssicherung  

Als betriebliche Rahmenorganisation des BEM wird vielfältig ein standardisiertes Vorgehen empfohlen. Die Basis hierzu kann durch eine Betriebsvereinbarung nach § 77 BetrVG und den Einsatz eines speziell für diese Aufgabe geschulten Eingliederungsteams geschaffen werden. Die inhaltlichen Regelungen einer Betriebsvereinbarung könnten sich wie folgt gliedern: 

  1. Zweck der Vereinbarung von Arbeitgeber und Betriebsrat
  2. Ziele des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)
  3. Zusammenarbeit und Verfahrensbeteiligte
  4. Voraussetzungen zur Einleitung des BEM
  5. Verfahrensschritte des BEM (s. o.)
  6. Erhebung der Daten und Datenschutzvereinbarung
  7. Qualitätssicherung und Schulung des BEM-Teams
  8. Informationswege für alle Mitarbeiter


III. Eingliederungsmanagement im mittelständische und kleineren Betrieb
 

Auch der kleinste Betrieb ist zur Durchführung des BEM verpflichtet. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes läuft er andernfalls Gefahr, dass seine krankheitsbedingte Kündigung vor dem Arbeitsgericht keinen Bestand hat. Neben den versäumten Chancen für Mitarbeiter und Unternehmen beinhaltet das erhebliche (Lohn-)Kostenrisiken

Während die Einsetzung einer Projektgruppe per Betriebsvereinbarung für den Großkonzern sicherlich sinnvoll ist, kann die Notwendigkeit eins solchen Organisationsrahmens für den kleinen Betrieb in Frage gestellt werden. Hat ein Unternehmen wenig oder selten relevante Fälle ist es nachvollziehbar, wenn eine standardisierte Organisation als bürokratisch und aufwendig gescheut wird. Auch kann es schwierig sein, das notwendige Know-How zur sachgerechten Durchführung des Verfahrens in den eigenen Reihen vorzuhalten. 

Speziell für die Problemstellung des Klein- und Mittelbetriebes bietet sich daher eine externe Durchführung des BEM im Einzelfall an. Vor dem Hintergrund meiner langjährigen Erfahrung im Gesundheits- und Rehabilitationsmanagements biete ich Ihnen gerne Beratung, Handlungshilfen und konkretes Einzelfallmanagement an. 

Bei überschaubaren Fallkosten nach Zeitaufwand oder in Form einer Pauschalvergütungsvereinbarung sichern Sie sich so 

  • optimale Prozessqualität,
  • eine regelgerechte Durchführung des Verfahrens,
  • konsequente und nachhaltige Steuerung,
  • Einbeziehung der Expertise und Finanzierung von Sozialversicherungsträgern,
  • eine neutrale Ergebnisdokumentation sowie
  • maximale Datensicherheit für Ihre MitarbeiterIn und Ihr Unternehmen durch den Schutz des Anwaltsgeheimnisses.

Falls Sie sich einen ersten Eindruck über meine Arbeitsweise als Eingliederungsmanager (EM) verschaffen wollen, schauen Sie bitte in den Downloadbereich. Dort habe ich neben einem Vertragsmuster und einer Datenschutzvereinbarung weitere Informationen und Formulare für Sie hinterlegt. 

Sollten Sie mich mit Ihrem Betrieblichen Eingliederungsmanagement betrauen wollen, rufen Sie mich an oder schicken mir eine Mail (s. Kontakt). Ich melde mich kurzfristig bei Ihnen. In einem ersten Telefonat klären wir dann, wie bei Ihrem Sachverhalt am besten vorzugehen ist und vereinbaren alles Weitere. 


[1] Konfliktkostenstudie, Die Kosten von Reibungsverlusten in Industrieunternehmen, KPMG AG, 2009 

[2] § 2 II SGB IX: „Grad der Behinderung von wenigstens 50“ 

[3] § 2 III SGB IX, § 68 II, III SGB IX: „ … Behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30,…., wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder nicht behalten können.“

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